Neues aus dem Versuchslabor – Selbsttest mit einem neuen Mittel gegen Diabetes
Der Selbsttest
Diese und die kommenden Wochen mache ich einen Selbsttest mit einer neuen Klassen von Antidiabetika (ein Arzneimittel gegen Diabetes).
Worum geht es?
Diabetes ist eines der großes Zivilisationsleiden. Es gibt verschiedene Mittel, mit denen man die so genannte Zuckerkrankheit behandeln kann. Ein ganz neues Präparat möchte ich für Euch im Selbsttest ausprobieren.
Normalerweise findet in den Nierenkanälchen, den sogenannten Tubuli der Niere, eine Rückresorption von bestimmten für uns lebensnotwendigen Stoffen statt. Dazu gehört bei einer gesunden Person, die eben nicht an Diabetes leidet, auch Glucose.
Was heißt das genau? Im Primärharn (das ist eine Vorstufe von dem Urin, den wir beim Wasserlassen ausscheiden) befindet sich noch Zucker. Der Körper möchte eigentlich nicht, dass der Zucker über den Urin ausgeschieden wird, sondern ihn als “Brennstoff” für die Zellen nutzen. Um den Zucker aus dem Harn zu bekommen, wird dieser aktiv zurück ins Blut geholt (reabsorbiert).
Bei Diabetikern funktioniert u.a. diese Reabsorbtion nicht richtig, da das Blut schon von Glucose übersättigt ist und ein erhöhter Blutglukosespiegel (Hyperglykämie) vorliegt. Die Glucose wird nicht aus dem Harn zurück geholt, sondern mit dem Urin ausgeschieden.
Bei diesem Punkt setzt ein neues Medikament für Diabetiker an.
Was wird genau getestet?
Ich teste einen sogenannten SGLT-2-Hemmer (Sodium(=Natrium)-Glucose-(Co)-Transporter-2). Diese stellen einen neuen Wirkmechanismus im Kampf gegen süßes Blut dar, sowohl bei Typ I als auch Typ II Diabetikern. Für den Typ I fehlt dieser Medikamentenklasse allerdings noch die Zulassung.
Wie wirkt das Medikament?
Die SGLT2-Hemmer sind vom natürlichen Molekül Phlorizin abgeleitet, das in der Rinde des Apfelbaumes vorkommt und von Natur aus beide SGLTs hemmen würde. (An einem Apfelbaum lecken hilft allerdings nicht, Phlorizin ist sehr schlecht bioverfügbar).
SGLT-2-Hemmer führen zu einer verstärkten Ausscheidung der Glucose über den Harn. Im Unterschied zu anderen Antidiabtika ist ihre Wirkung von Insulin unabhängig. Das Medikament hemmt den Natrium-Glucose-(Co)-Transporters 2 (SGLT2) an der Niere, welcher für die Aufnahme der Glucose aus dem Harn in den Blutkreislauf verantwortlich ist.
Der Sinn dieser SGLT-2 Hemmung ist, dass dadurch primär filtrierte Glucose im Urin vom Körper nicht wieder aufgenommen wird, wie das sonst der Fall wäre.
SGLT-Typ 1 ist für 10%, Typ 2 für 90% der Glucoserückabsorption zuständig.
Durch die Hemmung nur des Typ-2-Transporters können unter den momentanen Höchstdosierungen dieser Medikamente jedoch nur maximal etwa 60% der primär filtrierten Glucose ausgeschieden werden, nicht 90%.
Es ist also laut der Hersteller nicht möglich, sich nahezu sämtlichen Blutzucker aus dem Leib zu pinkeln und es bleibt immer etwas Zucker zurück.
Was passiert bei der Einnahme im Körper noch?
Bei der SGLT-2-Hemmung scheidet man neben der Glucose auch noch pro Molekül Glucose ein Molekül Natrium (Sodium) aus (der Typ 1 Transporter nimmt pro Molekül Glucose zwei Moleküle Natrium auf).
Positiver Nebeneffekt: SGLT2-Hemmer verstärken nicht nur die Glucoseausschiedung, sondern können zudem das Körpergewicht senken.
Bei einem Diabetiker können per SGLT-2-Hemmung ca. 70 g Glucose pro Tag über den Urin ausgeschieden werden. Bei 4 kcal/Gramm Glucose wären das 280 kcal am Tag. Das ist eine Menge! Dafür müsste man, je nach Anstrengungsgrad und Körpergewicht, schon so etwa eine halbe bis eine Stunde Laufen gehen.
Dieser Effekt ist auch bei den Test-Diabetikern aufgefallen. In der ersten Monaten der Studienzeiten verloren die Probanden etwas 3-4 kg Gewicht. Dieser Effekt hielt nicht über die gesamte Beobachtungsdauer, ein Teil dieses Fleisches war später wieder auf den Rippen. Aber der Gewichtseffekt war auch nach einem Jahr Anwendung noch deutlich mit etwa 2 kg im Schnitt.
Was passiert bei einem Nicht-Diabetiker?
Natürlich kann mach auch die SGLT-2 eines nicht-Diabetikers hemmen und er pieselt Glucose aus. Je höher der Blutzuckerspiegel, desto höher auch die Glucoseausscheidung. Bei einem nicht-Diabetiker ist daher die Glucoseausscheidung insgesamt geringer als bei einem Diabetiker.
Was sind mögliche Nebenwirkungen?
Das Ganze allerdings auch manchmal Nebenwirkungen. Die Liste ist laut Fachinformation wie immer lang, in der Praxis am relevantesten sind Pilzinfektionen des Genitaltraktes, bei Frauen (~10%) häufiger als bei Männern (~4%). Meist Pilze der Gattung Candida, da diese Zucker besonders gerne mögen.
Auch kann es bei Diabetikern, wenn auch nur sehr selten, zu der gefürchteten Unterzuckerung kommen. Die Medikamentenklasse wird insgesamt als sehr sicher bezüglich Unterzuckerungen beschrieben.
Der Selbsttest (bei einem Nichtdiabetiker)
Erste Testwoche Montag, 4.5.2015 bis Sonntag, 10.5.2015 ; Substanz: Canagliflozin, Menge: 100 mg
Was bemerke ich?
In der ersten Woche passiert nicht viel. Ich bemerke weder besondere Nebenwirkungen, noch nehme ich ab. Oder doch? Am Ende der ersten Woche ist etwa ein halbes Kilo unten. Das kann natürliche Schwankung sein, aber auch Medikamentenwirkung.
Die ausgeschiedene Glucose und die Natriumionen reißen Wasser mit sich, daher muss man auch mehr auf die Toilette. Ein Teil des Gewichtsverlustes dürfte also Wasserverlust sein. Ausgetrocknet fühle ich mich nicht, muss auch nicht mehr trinken.
Ich habe, was die Ausscheidungsmenge an Zucker angeht, nur Urin-Teststreifen zur Verfügung. Hier zeigt der Streifen regelmäßig Zucker im Urin von ca. 2g/100 ml Urin an. Höher geht die Skala nicht, es könnte daher auch mehr Glucose sein. Selbstverständlich messe ich auch die Urinmenge: im Schnitt 2,3l/ Tag. Wie viel es normalerweise wären habe ich bisher nie getestet, werde das aber in der versuchsfreien Zeit nachholen.
Übrigens: der Urin schmeckt nicht süß, sondern sehr salzig. Ja, ich habe probiert. Die ausgeschiedene Natriummenge schlägt hier geschmacklich voll durch. Ein Liter Wasser, in dem man 20 g Glucose löst, schmeckt eigentlich recht süß.
Damit sind am Tag mindestens etwa 23 dl x 2g Gluc/dl = 46 g Glucose ausgeschieden worden. Dies entspricht mindestens 186 kcal/Tag.
Nach Sieben Tagen sind also etwa 1300 kcal über den Urin verloren gegangen. Da ein Kg Fett ca. 8000 kcal enthält wären das umgerechnet 162 gr. abgebautes Fett. Rechnerisch.
Aber so funktioniert der Körper auch wieder nicht. Meine Ernährung war zwar meines Erachtens recht konstant, aber die genauen Tageskalorien oder die Nährstoffzusammensetzung bestimme ich prinzipiell nicht. Nur der Langzeittest zeigt, ob tatsächlich eine Gewichtsabnahme oder andere Nebenwirkungen stattfinden.
Achtung!
Dieser Selbsttest von Dr. Tom ist nicht zum Nachmachen gedacht. Du solltest als Laie nicht mit Medikamenten experimentieren! Dr. Tom führt seinen Selbsttest unter medizinischen Aufsicht durch und hat die Fachkenntnisse bei Problemen und Nebenwirkungen richtig zu handeln.
Solltest Du den Verdacht auf eine Diabeteserkrankungen haben, kannst Du Dir ganz einfach einmal in der Apotheke Urinteststreifen kaufen und deinen Wert testen. Suche aber bitte bei Unsicherheiten oder Beschwerden einen Arzt auf.